das hat mich

01/13/2016 03:06

einhaken kann. Das Koordinatensystem ist mein Zuwendungs­system: solange es für mich nicht existiert, gewinne ich keinen Kontakt zu den Bil­dern. Die Farbigkeit ist schön, hat aber nichts mit Bewußtmachung zu tun. Ich fand jedenfalls in dieser Rauschphase keine Möglichkeit der Steuerung im Sinne einer bewußten Realisierbarkeit.« »Man muß sich hüten, dieser Bilder­schwemme zu verfallen, mit diesem neuen Koordinatensystem sich zu identifizieren. Wenn es nicht gelingt, dieses neue Koordi­natensystem zu rationalisieren, muß man ein neues System ausfindig machen, dazu zunächst aber statistische Untersuchungen anstellen. Und wenn das nicht geht, dann muß man eben den Identifizierungsversuch aufgeben und das neue Koordinatensystem akzeptieren.« VI. Lacht laut auf: »Das ist ja ein Witz. Das erste Mal hatte ich mich als Gegenstand im Raum gesehen, und ich wollte zeigen, wie sich da­durch das Koordinatensystem än­dert, d. h. daß man dazu in der Lage ist, es zu verändern. Ich konnte den Gegenstand, der so klein wurde wie ich jetzt bin, nicht realisieren, weil ich mich mit dem Koordinatensystem identifiziert habe. Aber optisch konnte ich ihn somit entsprechend projizieren und vergrößern.« VII. »Sie kennen doch diese Untersu­chungen über Fische. Malen wir das einmal in Form eines Fisches - so also, er hat nämlich diese Gestalt, weil das Koordinatensystem sound so ist. (Zeichnet das Bild.) Dann gibt es einen Fisch, der sieht so aus (f) und bei dem ist das Koordina­tensystem so, da ist der Schwanz (g) - das kann man machen.« VIII. »Moment mal, hier steh’ ich, und das rotiert richtig, rot, blau, grün und gelb; dann waren das hier nur Farberscheinungen am Rande.« IX. »Im Grunde sind das alles nur Orientierungshilfen. Ich sehe auch die Schwierigkeiten, die darin be­stehen, daß diese konstruierten For­men, die ich nur als Beispiel ge­nommen habe, besonders wichtig geworden sind. Hier ist der Punkt, wo sich das Koordinatensystem mit der Assoziation verbindet. Hier »Ich erlebte noch einmal die oben be­schriebene Raumveränderung. Ich sah mich jetzt in der Mitte des Raumes und ver­größerte und verkleinerte mich zusammen mit diesem proportional.« »Das war der Versuch, nicht sich und die eigene Situation vorzustellen, sondern das Modell ‘Fisch’ einer LSD-Mutation zu un­terwerfen. Dabei entstand unter der Dro­geneinwirkung ein der Natur analoger Entwicklungsprozeß: Zwei Fischarten mit zwei verschiedenen Koordinatensystemen in der normalen Welt.« »Ich bemerkte Farberscheinungen, die ich durch Striche notiert habe. Diese Striche sind im Grunde nur Orientierungshilfen, durch die ich die Vorstellungen sichtbar machen wollte.« »Gemeint war die Vertauschung von Hy­pothese, Synthese und Produkt.« läßt sich jede Assoziation in das Koordinatensystem einfügen.« X. »Diese Assoziationen können wach­sen, Farben annehmen, zur Brücke werden, eine eigene Intensität ha­ben, eine eigene Bedeutung haben, womit allerdings die Entwidc- lungschancen gleich null sind.« XI. »Man kann sich heraushelfen aus der ganzen Situation, indem man sich hier festhält, z. B. an einer Stelle, an der man sich zu Hause fühlt, wie hier bei den Vögeln. Da kann man sich ganz schön wohl fühlen - verdammt romantisch -, alles vergessen und sich an einem solchen Strich wohlfühlen. Rot war für mich immer schon eine schöne Farbe! Man kann sich natürlich über die vielen Assoziationen, die sich hier anbieten, die unglaublich­sten Ausflüchte ausbauen.« XII. »Aber nunkommt eben die Schwie­rigkeit: Wenn man diese Stelle überwunden hat, können einem nur wieder neue Formen einfallen, die auch irgendwo angelegt sein müs­sen, und die sind dann ganz primi­tiv und simpel.« XIII. »Man kann sich gut über den Im­pressionismus unterhalten, über dessen Farbtheorien - aber dann wird’s gefährlich, wenn man wie­der produktiv einsteigen muß. Was einem zum Impressionismus alles einfällt: Da sieht man endlose Fi­guren, die sich wiederum assoziie- »Wenn die Produkte der eigenen Phanta­sie Realitätscharakter besitzen, haben sie keine Entwicklungschancen mehr im Denk­prozeß.« »An der Stelle, an der ich das Zeichen­papier berührte, dellte es sich ein. Es waren ganz begriffliche Vorstellungen, als ich es an dieser Stelle berührte. Der Blei­stift sah jetzt wie ein Stengel aus. Die Zeichnung stellte eine Frucht dar, z. B. einen Apfel. An einer Mulde der Frucht entstanden Erinnerungen: Sommerland­schaften, Vogelgezwitscher, Birken. Ro­mantisches Gefühl schwingt noch weiter in verschiedensten Vorstellungen mit. Aber all das sind nur Ausflüchte, die mich an der Verarbeitung der Produktivität hin­dern.« »Der Text interpretiert die Untersuchung: Welches Bildmaterial wird mir jetzt im Rausch angeboten, wie kann es verarbei­tet werden? Ich bezweifle, daß einem wirklich Neues vom LSD angeboten wird; es fällt einem assoziativ das Nächstbeste ein, und das sind ganz banale Muster.«2 »In diesem Moment hatte ich das Gefühl, wie von einer Woge plötzlich in einen an­deren Raum gebracht zu sein, und daß ich irgendwohin abrutschen würde, wenn ich dieses Gefühl nicht in der Hand behielte. Es war, als würde ich mich einer anderen Bilderfolge aussetzen. In dem beschriebe­nen Moment waren da Kontaktstellen, an ren lassen - man kann dauernd spielen — endlos spielen, wie Breu- ghel, und was es da noch gibt! Das ganze Fleischgetümmel ist ja furcht­bar, was gibt’s denn da noch? Da gibt’s Leute, die machen es so: Sie fassen versehentlich irgendwo hin, dann gibt’s einen Wischer und das ist dann die Stelle, da setzt die Assoziation ein. Das kann man natürlich auch machen und endlos fortsetzen, aber was soll’s?« XIV. »Da fällt mir Michelangelo ein, der an der Mauer allerlei Geschichten gesehen hat. Das Assoziative als Methode! Das Assoziative führt dann bis zu den Spinnwebbildern - da gab’s doch auch eine Epoche, die Mauerrisse als Kunst deklariert hat. - Das ist ja alles wunderbar, was sich hier so tut. Sowas hätte man sich gar nicht ausdenken kön­nen, wunderbar ist das.« XV. »Das kommuniziert so wenig - man muß selber die Kommunika­tion in der Phantasie erzeugen, um sie im Bild zu erzeugen. Ich bin von einem Punkt auf den anderen aus­gewichen auf derselben Fläche, und so könnte man weitermachen:Mei­netwegen, die Idee des Versuchs war ja, daß man das neue Kommu­nikationsmittel entgegennehmen sollte. Schade, wenn da jetzt ein Diaprojektor stehen würde, bei dem man bloß auf den Knopf drücken müßte, wenn man das oder das Ganze bewußt sehen wollte - das ginge doch auch, aber dann denen vollkommen andere Gegenstände entstanden, die über reine Emotionen ef­fektiv kaum hinauskamen. Ich habe ein Unbehagen, wenn sich eine Reaktion er­eignet, die nicht optisch funktioniert, son­dern emotional, z.B. impressionistisch oder wie das Fleischgetümmel ä la Breughel.« »Ich habe unter LSD über das Assoziative in meinen Bildern und der Malerei im all­gemeinen reflektiert. Jeder Schwerpunk, kann sich sofort wieder aufheben und neu definiert werden. Dieser bestimmt dann seinerseits, neue Impulse und Bedeutun­gen.« »Wenn ich einen Punkt gezeichnet hatte, ging davon zu wenig Kommunikation aus. Es kommt zuwenig zurück zum Betrach­ter, nur die eigene Projektion: ich aber suche nach dem Partner, nach neuen Er­lebnissen. Es war wie bei einer Diavor- führung: Was sollen Tausende von neuen Bildern als Erfahrungen, wenn nicht neue Erlebnisse hinzukommen? Ich hatte also Zweifel an der eigenen Kapazität, wartete auf das neue Erlebnis.« hätte man nichts weiter erreicht, als . . .« (Er lachte lange). XVI. »Die Erinnerung an das Koordina­tensystem funktioniert noch (lacht sehr herzlich). Man kann es natür­lich aufgeben, nachzudenken und sich stillen Assoziationen hingeben. Da kommen auch ganz schön lust­volle Sachen zustande.-Ursprüng­lich war das sehr konkret, ist jetzt ganz abstrakt geworden. (Lange Pause) Man^kann auch plötzlich das Repertoire erweitern, das ist klar, wahrscheinlich müßte man sich einschränken auf die Gegen­stands-Assoziationen.« XVII. »Normalerweise, wenn man ein Bild malt, hat man tagelang Zeit, zu einem Schluß zu kommen, ihn einer kritischen Überlegung zu un­terwerfen; jetzt unter LSD wird dauernd projiziert, wie vom Pro­jektor, man kann gar nicht nach- kommen - und man will doch die verschiedenen Projektionsebenen, die von der Phantasie erzeugten Bilder festhalten, in ihrer charak­teristischen Bedeutung, die bei je­dem Bild verschieden ist. Ich meine seine bestimmte Struktur: die kann man ’rausnehmen und mit einer anderen Struktur vergleichen. Die Ähnlichkeiten ergeben gewöhnlich ein neues Bild. Unter LSD ist man dauernd dabei, den Gegensatz zu ergründen. Da fehlen einfach die Assoziationspunkte; man müßte an »Von besonderer Wichtigkeit ist der Ort, an dem man steht. Beispielsweise: man steht auf einem Quadrat, auf dem sich ein Prozeß vollziehen soll, und eine ständige Hemmung entsteht dann dadurch, daß man sich bewußt macht, hier das Quadrat ist selbst eine Koordination; man ist sich also darüber klar, daß die Wahrnehmung diesen Raum projiziert hat, aber was soll die Wahrnehmung jetzt auf den projizier­ten Raum noch projizieren? Ständig ge­langt man an diese Rückkoppelung. Die Wahrnehmung macht ja, was sie will — da jetzt noch mit Bewußtsein einzugreifen, das ist ein kompliziertes Problem. Man kommt nicht ’ran an diesen Vorgang.« »Normalerweise ist es so: Es projiziert sich in der Phantasie ein Bild, das man schon einmal gesehen hat, z. B. die Luft­aufnahme von einer Stadt. Man kann diese Bilder abrufen wie Dias von einer Zellen­sammlung. Bei der künstlerischen Produk­tion ist es nun nicht so, daß man anfängt, das projizierte Bild abzupinseln; man könnte das zwar machen, und unter LSD würde sich wahrscheinlich beim nächsten Strich wieder ein neues Bild einstellen, aber dann ergäbe sich eine Struktur, die einfach nicht beabsichtigt ist, wenn man sich vorher für eine Struktur entschieden hat, z. B. für das Koordinatensystem der Stadt. Bei der Aufteilung, die sich folge­richtig auf dem Blatt ergäbe, entstünde aus einem Vierzeiler wieder eine Schmet­terlingsform. Somit wäre es eine andere Struktur geworden, ein Organismus, ein Lebewesen, man wäre in eine andere dieser Stelle ioooo Diabilder her­unterrasseln können, aus dem gan­zen Bildbereich, so daß man sagen könnte, das alles gibt es noch. - Moment mal, das wäre ja auch bloß eine faule Ausrede, wahr­scheinlich geht’s darum, daß man sich jetzt für etwas entscheidet, das man ganz bewußt macht, ferner ist es natürlich wichtig, daß diese Ent­scheidungen zu beeinflussen sind. — Ebene übergegangen. Jetzt kann man diese Ebene weiterspinnen und die Genese der Organismen nachvollziehen und dann dar­aus wieder eine neue Struktur ableiten: man kann den Vierzeiler wachsen lassen, und alle Zellen ordnen sich auf der Fläche. Ein eigenartiger Komplex mit den ver­schiedensten Differenzierungen ergibt sich: Was zunächst noch formal abstrakt ist, wird gegenständlich erklärt. Damit wäre die Analogiekette bis zum realistisch wahr­nehmbaren Bild nachvollzogen.« Das war wieder Assoziation; das Schwierige ist bloß, daß man als Assoziation immer nur das zur Verfügung hat, was man vorher schon erlebt hatte, vom Koordina­tensystem angefangen. Diese Ein­schränkung finde ich ungeheuer... (Lacht auf, nach einer Pause:) Im Grunde sollte man sich freundli­cheren Tätigkeiten hingeben — letzten Endes kommt man zu kei­nem anderen Ergebnis, als daß man abwarten muß.« Gernot Bubenik berichtet über kugelförmige Verzerrungen des Raumes und eine optisch­taktile Synästhesie »Von einer Zimmerdecke aus beobachtete ich die eigenartig veränderte Räum­lichkeit des Zimmers. Alle Gegenstände des Raumes erschienen gewölbt, so wie in einem stark gewölbten Hohlspiegel. Ein Bild, das mir gegenüber hing, habe ich in seiner perspektivischen Verzerrung nachgezeichnet. Ich selbst sah mich von dem Raum umgeben, saß mittendrin. Nach welchen geometrischen Gesetzen das geschah, weiß ich nicht. Um zu kontrollieren, wie dieser neue Raum funktioniert, https://datasprint.eu/de/datenextraktion-dienstleistungen/ streckte ich die Hand aus: Der Tisch stand in Wirklichkeit etwa einen Meter von mir entfernt - in meiner Halluzination erschien er mir etwa fünf Meter wegge­rückt. Ich wollte mir selbst nachweisen, daß es ein optischer Trugschluß war, und machte mir klar: der Arm ist etwa 80 cm lang, der Tisch einen Meter entfernt. Also streckte ich die Hand nach dem Tisch aus und tatsächlich, ich konnte ihn be­rühren. Jetzt hätte ich feststellen müssen, daß die vier Meter zwischen Finger­spitze und Tisch verlorengegangen sind; entweder hätte die Hand immer längerwerden müssen, bis sie den Tisch erreicht, oder der Tisch hätte immer näher her­anrücken müssen. Beides geschah nicht. Ich konnte die verschiedenen Phasen mei­ner Armbewegung nicht verfolgen, sie fielen einfach aus - so, als korrigierte ich die physikalische Unmöglichkeit. Ich spürte nicht eine kontinuierliche langsame Bewegung, sondern der Arm schnellte ruckweise erst 20 cm, dann 40, 60, 80 cm vor. Das Bewußtsein hatte gewisse Phasen einfach ausfallen lassen, wie bei einer sehr stark gerasterten Zeitlupenaufnahme. An der Stelle, wo ich das Tischchen berührte, fühlte ich zunächst seine Konsistenz: es war fest und die Tischplatte gerade, so wie in Wirklichkeit. Dann blickte ich es längere Zeit an, und wenn ich es jetzt abtastete, konnte ich mit der Hand Rundungen nachvollziehen. Es fühlte sich genauso an, wie ich es in der optischen Verzerrung sah; als wenn das Auge mit der Hand darüberführe und das Gefühl veränderte.« Zusammenfassung Zu Beginn experimentierte der Proband spielerisch mit Fettkreiden und beschränkte sich zeichnerisch auf einige Zeichen: Buchstaben, eine Blüte, eine Farbgruppierung. An­sätze, sie kompositorisch zu ordnen, erstickten. Die räumlichen Beziehungen blieben fragmentarisch. Die vertraute Symbolik stellte sich nicht ein, das Zeichen blieb anonym, nicht definierbar, Bedeutungen relativierten sich sofort. Auch im weiteren Verlauf des Versuchs hat Bubenik sich nicht seiner üblichen Hilfs­mittel bedient: Schablonen, der Spritzpistole, ausgeschnittener Papierschemata. Die gewohnte Prozedur erwies sich als zu umständlich, um sie spontan der veränderten künstlerischen Situation unter LSD anpassen zu können. So hat er die malerischen Mittel auf ein Minimum reduziert. Punkte, Linien, Flächen, Ornament und Figur brachten unbewußt ihre jeweilige Bedeutung in dem Erlebnisfluß zum Ausdruck. Bubenik versucht in seinen Bildern, das Emotionale allein in der Farbe wirksam werden zu lassen; alle übrigen Bildkomponenten wählt er weniger nach ästhetischen Gesichtspunkten aus als nach ihrem Stellenwert in einem Beziehungssystem: so montiert er geometrisch abstrahierte Formationen, die an schematische Darstellungen biologischer Prozesse erinnern. Von hier aus leitet er über zu der organischen Struktur der Gesell­schaft mit ihren Sach- und Überbaubereichen wie etwa Religion, Kunst, Wissenschaft. Schillernde Flora und Histologie stehen im Dienst eines auf gesellschaftliche Verände­rung zielenden Engagements. Der Schlüssel zum Bildverständnis liegt bei Bubenik in einer rationalen Analyse der Bildinhalte. Von diesen Prinzipien ging er auch unter LSD nicht ab. Er machte sich mit dem angebotenen Material vertraut, durchkämmte es auf seine Verwertbarkeit. Sein Enga­gement stellte sich als kritischer Filter den anstürmenden Ereignissen entgegen: Ideen wie »Kommunikation«, »Identifikation«, »rationale Entwicklung« wurden zur künst­lerischen Programmierung durchgelassen; andere, wie »historisierende Tendenz« (Im­pressionismus, Breughel), »irrational«, »ästhetische Mauerstruktur«, ausgesiebt. Dieser kritischen Distanz gegenüber dem Rauschgeschehen entspricht die Ambivalenz des Er­lebens selbst. Wiederholt zweifelt er an der Richtigkeit seiner Beobachtung, widerruft er seine Feststellungen. Die durch das Rationalisierungsbestreben verursachte Bremsung der Emotionalität wirkte sich als Abstraktion und Reduktion der Bildinhalte aus und baute damit die Rückbeziehbarkeit des Gezeichneten auf das Erleben ab. Dafür gestatteten die Ab­blendung des Bewußtseins vom Malprozeß und die Einschränkung der bildnerischen Tätigkeit eine verbale Darstellung der künstlerischen Situation unter LSD-Einwirkung. 17 Michael Coudenhove-Kalergi Geb. 1957 in Prag. Seit 194; in Österreich ansässig. 1952-58 Kunstgewerbeschule in Graz. 1958—64 Akademie für bildende Künste in Wien. Lebt und arbeitet in Wien. Coudenhove-Kalergi, zum Kreis der Wiener Schule gehörig, ist in Malweise wie Thema recht konstant geblieben. Seine Vorliebe gilt Architekturen, die er phantastisch anlegt: Kirchen in Niederösterreich, Moscheen aus Istanbul - verflochten mit Kopien aus London. Eingewebt sind Mädchenporträts oder Meerwunder, grazil, mit unbestimmtem Strich - lasierend und irrisierend. Das Kolosseum versetzt er in das Rudolfinische Prag. Melancholie und Grandezza glimmen noch über den grünen Kuppeln Wiens im Abend­licht. Dieser Welt von Adel und europäischem Geist ist er schon von seinem Namen her verbunden, aber er selber hat sich anders entschieden. Dabei geht es nicht immer konfliktlos ab. Aus dem LSD-Protokoll 12.10 Einnahme des LSD. 12.50 Schwere Zunge, Müdigkeit, Übelkeit, Schwindel, Herzbeklemmungsgefühl. 13-1S *Es bestehen immer zwei Gefühle zugleich, ein unangenehmes und ein angeneh­mes. Habe das Bedürfnis, die Zunge nach hinten zu legen, sie zu verschlucken. Ich will geborgen sein, aber gleichzeitig ist da die Angst: nur das nicht! - Die Farben werden jetzt aufgegliedert in Komplementärfarben: die hellen Stellen, wie z. B. die Stirn, werden ganz einheitlich gelb, die dunklen Partien und die Schatten, z. B. die Augen, schwarz-grün. - Die Schatten sind ganz selbständig. - In dem Zimmer verbreitet sich jetzt eigenartiges Licht: dunkles Rot, jetzt Rosa, jetzt Violett. - Jetzt bewegt es sich, die Ebenen verschieben sich, es ist ganz kubistisch. — Ich habe Angst, daß meiner Frau etwas zustößt. Farben, vor allem Smaragdgrün, wirken wie Zeit. (Er betrachtet eine Reproduktion von Guardi:) Das Meer auf diesem Bild sieht aus wie lebende Haut.« 14.00 Ich reiche ihm auf seinen Wunsch hin einen Spiegel: »Ich habe Angst vor mir selber, geniere mich. (Er legt den Spiegel weg, ohne hineingeschaut zu haben. Zu Blatt 1:) Beim Zeichnen hat man das Gefühl, es entwickelt sich von selbst. Es entgleitet einem völlig. (Er malt intensiv. Während er zeichnet:) Verdammt, wenn ich das nur beschreiben könnte; werde vollkommen verdreht. (Jeden seiner Sätze widerruft er sofort.) Was ich da zeichne, muß ich wohl machen. (Er zeich­net mit ernstem und konzentriertem Ausdruck, Punkt um Punkt.) Eindrücke haben ihre Dialektik.« 15.05 Jetzt bin ich ohne Raum- und Zeitgefühl, meine Füße sind im Keller. - Ich bin doch größer als sonst. (Betastet sein Gesicht:) Ich hab’ ein ganz aufgeschwollenes Gesicht, faltig! — Ewigkeiten sind auch ohne Übersteigerung auszudrücken.« 15.45 Beginnt Blatt 2: »Auch diese Architektur (auf dem Blatt) liegt tausend Jahre zurück. Der Jugendstil wirft farbige Schatten, nicht der Stuhl.« 16.00 Beginnt Blatt 3: »Jetzt komme ich in die Antike rein. (Seine Frau betritt das Zimmer, auf dem Arm das Baby der beiden. Er beginnt darauf Blatt 4, ein Porträt Mutter mit Kind. Unterbricht plötzlich die Arbeit:) Ist mir jetzt nicht mehr angenehm, Euch beide zu zeichnen, ist mir unheimlich. Vielleicht könnte Euch etwas zustoßen.« 16.35 Beginnt Blatt 5, zu mir: »Glaubst Du eigentlich an Gott? Ist es ein Widerspruch, immer Kirchen zu zeichnen und Kommunist zu sein? (Beginnt Blatt 6:) Ich leide sehr unter meiner Zwiespältigkeit; ich glaube, ich male deshalb Kirchen, weil ich immer hinauf möchte und entschweben.« Zusammenfassung und Kommentar Die Dissoziation der Phänomene, wie sie sich hier im Bereich des zweiten Rauschsta­diums präsentieren, ist etwas ungewöhnlich. Räumlich und zeitlich voll orientiert, mit leichter Stimmungsambivalenz bei schwach ausgebildeten Wahrnehmungsveränderun­gen, beantwortete Coudenhove-Kalergi Fragen zunächst schnell und sachlich; auffällig jedoch wurden diese normalen Reaktionen durchkreuzt von Gedankenfragmenten in kurzen unverbundenen Sätzen sowie von unverständlichen Sinnbezügen. Der Auszug aus dem LSD-Protokoll gibt nur unzulänglich den Wandel des Denkens vom Ratio­nalen zum Anschaulich-Gefühlsbetonten wieder. (Coudenhove-Kalergi sprach in LSD- spezifischer Verbalisierung von einer »gefühlsartigen Ganzqualität«.) Unter der Ober­fläche zeigte sich deutlich die persönliche Problematik: »Scham-Angst vor sich selbst, um die Familie«. Etwas Licht bringen die unter LSD entstandenen Zeichnungen in das Geschehen. Während des ganzen Versuchs arbeitete Coudenhove-Kalergi wie selbstver­ständlich und mit minuziöser Emsigkeit vor sich hin. Das bildnerische Konzept war wie ausgelöscht; statt dessen bot sich dem Betrachter ein scheinbarer Wirrwarr konfuser, ungezielter Striche und Kleckse. Psychiater wie Helmut Rennert charakterisieren das »gedrängte Durcheinander« solcher Blätter bei Darstellungen Geisteskranker als »Bild­salat, ein offenkundiges Zeichen für die Enthemmung des bildnerischen Ausdrucks«. Man könnte das ohne Widerspruch übernehmen, allein das Merkmal der ‘Enthem­mung’ wäre näher zu präzisieren. Die Beobachtung der Arbeitsweise des Probanden legte die Vermutung nahe, daß dem vermeintlichem Chaos die Bedeutung einer ganz folgerichtigen und adäquaten Gestaltung im protopathischen Bewußtseinszustand - mit dem Symptom des Denkregresses - beizumessen war. Die passive Versunkenheit, das Gebanntsein von der Bildnerei und die kontinuierliche Ausbreitung bildnerischer Re­likte wären unvereinbar mit einer sinnlosen Destruktion des ‘bildnerischen Prinzips’, das nach unserer Meinung für die Steuerung des gesamten Komplexes der künstlerischen Impulse verantwortlich ist. Voraussetzung für eine solche Betrachtungsweise ist das Abrücken von den gewohnten Interpretationsnormen. Wenn wir uns auf die durch den Regreß veränderte Wahrnehmung einstellen, können wir das Dargestellte als zwar ‘subjektiven’, aber für das Phänomen des Regresses typischen Ausdruck des Unbewuß­ten annehmen. Das ‘bildnerische Prinzip’ wurde von der Toxinwirkung stärker betrof­fen als die übrigen seelischen Bereiche (siehe Blatt 1). Dieses Bild wurde während der Hauptphase gezeichnet, die übrigen Bilder entstan­den in der Abschwellphase. Sie zeigen eine ‘Regeneration’ in ungewöhnlich kontinuier­licher Form. 18 Manfred Garstka Geb. 19jy in RastenburgOstpr. 194J Flucht nach Schleswig-Holstein, i9$y bis 1962 Studium (Zeichnung, Malerei, Gra­fik, Fotografie) an der Hamburger Hoch­schule für bildende Künste bei Kurt Kranz, Georg Gresko, Eberhard Troeger, Eduardo Paolozzi. Seit 1962 als freier Maler in Hamburg tätig. Manfred Garstka über seine Arbeit »Mein Thema ganz allgemein ist die Darstellung des Menschen. Wesentlich für mich ist der Werdegang des Bildes und der Rückblick auf die Reihe der fertigen Arbeiten, die ihrerseits nur Teile einer langsamen Entwicklung sind. Die Thematik ist ständig die gleiche geblieben, nur die Technik hat sich von Zeit zu Zeit gewandelt. Ich arbeite gern an längeren Serien, um den Prozeß verfolgen zu können.« Über Manfred Garstkas Bilder Das heute schon reichhaltige Werk, das eine langsame kontinuierliche Entwicklung auf­weist, verdankt sich dem Fleiß des sensiblen, sich vom betriebsamen Management di­stanzierenden Künstlers. Seine Zeichnungen lassen zunächst an Bellmer denken. Eine vergleichbare grafische Finesse modifiziert kunstvoll die idee fixe aggressiv-sexueller Motive. Sie machen die Grafik zum Wandschmuck ungeeignet, geben sie in die Hände von Liebhabern und wenigen Sammlern. Aber anders als bei Bellmer, für den der menschliche Körper Objekt hailuzinativer, sadomasochistischer Bildmetaphorik ist, ‘um vor Lust zu ster­ben’, stellt sich für Garstka eine existentielle Frage nach der Macht und Ohnmacht des Fleisches. Der Verlust der schützenden Haut, einer letzten Integrität - jenes Tabus, auf das jeder Mensch Anrecht hat -, wird zum Sinnbild der von unstillbaren Zerstörungstrieben verursachten Qualen. Der ganze Bildraum wird zur Körperlichkeit, zur hüllenlosen Organmaterie, und durch sie verbildlicht Garstka wiederum das Innere des Menschen. Aus der Tiefe tritt der scharfkantige Schenkel, der Knochen ist gesplittert, das Gelenk überdehnt, freigelegt, glänzend, das Scharnier ausgehebelt, die Sehne gerissen, geritzt, gepreßt, gestoßen, herausgerissen sind Leber und Milz. Messer, Säbel und sterile Lappen zum Abdecken, Zudecken, Aufdecken erscheinen im Bild. Warzen sind isoliert, gepeitscht und geschwollen, gespannt und gesprungen, ent­zündet, Eiter und Sperma spritzen heraus. Vorgegeben sind Assoziationen an Operation, Unfall, Krieg und Folterkammer, aber nichts davon ist genannt. Die Wandlung von der — etwas überbetonten — Sachlichkeit George Grosz’scher Prägung, von der Darstellung individuellen Erleidens, das für den Menschen steht, wird gewandelt zu jener von allgemeinem Leid, das anonym im Körperlichsein ver­dichtet wird. All dieser Wahn, das Übermächtige der Leiderfahrung, stellt Garstka auf seinen Bildern dar, um es als Erlebnis zu bewältigen, somit, um künstlerisch wahr­haftig zu sein. Abstraktion dient hier dazu, das künstlerische Maß einzuhalten, denn Zynismus und Sarkasmus sind ihm fremd: In großzügiger und klarer Komposition von farbiger Turbulenz entstehen Bilder von unbestreitbarer Schönheit. Trotzdem ist ein Geist der Unruhe wirksam, der den Betrachter fortwährend provoziert; ein Ecce homo des geschundenen Marsyas. Es ist so - aber es ist noch lange nicht vollbracht. Die Tortur geht auf vollen Touren. Als Einführung in den Versuch Machen sich die Affekte selbständig — seien es depressive oder euphorische -, so über­schwemmen sie oft die Erlebnisebene gänzlich. In jeder Phase von Garstkas Versuch ist die Angst stark. Jeder Gegenstand ist unbeeinflußbar bedrohlich; die Inhalte ändern sich, sind aber nicht faßbar. Der Proband ist zur Passivität verurteilt und den Eindrücken ausgeliefert; seine inneren Regungen scheinen erstarrt. Als wäre er in einem Eisblock eingefroren, gibt es kein vor und zurück. Die Gefühle »sind wie von einem Fremden ausgeliehen«. Jede versuchte Gegenwehr erzeugt ihrerseits Schuld­gefühle; ein Ausweichen erscheint sinnlos und stößt die Versuchsperson noch mehr in die Isolation. Die Verständigung reißt ab; zwar fehlt es nicht an der Einsicht, aber die Argumente erscheinen ausgehöhlt, für den Probanden persönlich nicht mehr zutreffend, sind doppelsinnig oder werden selber bedrohlich. Schließlich bricht die Kommunikation völlig ab; ängstlich starrt die Versuchsperson vor sich hin, ist schweigsam und bewe­gungslos. — Für den Außenstehenden sind diese depressiven psychotischen Züge nicht einfühlbar; es gibt keinen realen Anlaß, auf den sie zu beziehen wären. Aus dem LSD-Protokoll ii. 15 Einnahme des LSD. 11.40 »Beklemmungsgefühl. Furcht vor etwas Neuem, da dessen Wirkung noch nicht ganz zu übersehen ist. (Erkundigt sich, ob er die Skizze stehen lassen kann.) - Dunkelheit um mich herum. Ich habe eigentlich jetzt schon keine Lust mehr, weiß gar nicht mehr, was dieser Kreis soll.« »Ich stelle mir vor, daß ich mich im Kreis drehe. Glaube, daß ich nicht weiter­komme, habe schon länger als an Bild i hingearbeitet. Fühle mich nicht wohl, es fehlt mir die Lust zu suchen, wie es weitergehen soll. Wollen und Tun sind gehemmt, ich will mich ausruhen. - Zeichnen kann ich noch. Vor den Augen ist ein Schleier, man sieht keine Farben.« Er zeichnet intensiver (Blatt 4). Auf Fragen antwortet er nur kurz und blickt scheu um sich. »Zunehmendes Angstgefühl; ich fürchte, die Kontrolle zu verlie­ren. - Dies ist alles sehr grob in der Zeichnung. — Kann nicht schraffieren, ab­stufen! - Ich kann keine Zielsetzung finden. - Stilistisch ist alles wohlbekannt, aber vergröbert. - Nimmt an Intensität nicht zu, der Erlebnisbereich bleibt gleich. - Ich empfinde den Prozeß des Zeichnens wie einen Motor, den man ein­mal angeschaltet hat; man macht weiter, obwohl man eigentlich keine Lust dazu hat.« - Blickt kurz auf und schaut, als ob er fragen wollte: Was ist jetzt das schon wieder, kommt da was? 12.50 Beginnt Zeichnung 5: »Als wäre ein Szenenwechsel eingetreten, als wäre ich gerade aufgewacht. Ich bleibe beim Zeichnen, und ich bin froh, daß es noch gelingt. (Schweigsam, antwortet fast nichts auf Fragen.) Empfinde Ihre Gesich­ter verzerrt. - Die Realität ist nicht mehr faßbar, ich weiß nicht, ob ich das nur so sage.« 16.00 »Schwindelig und torkelig, fühle mich überanstrengt. Die Lampe flammt in den verschiedensten Richtungen, hat nun völlig ihren unheimlichen Charakter ver­loren. - Jetzt kommt etwas Angenehmes. Bin jetzt gelöster. Nun kann ich mich auf all die Farbenpracht einrichten. - Die Flächen schieben sich nicht mehr hin­ein. Bisher war das so unangenehm, daß sich die Bilder während des Zeichnens von der Seite ins